Mittwoch, 3. Mai 2017

Der Hass im Netz – Eine kleine Typenlehre

So, jetzt kommt der Lucas Schoppe und erklärt Euch das, was ich in den letzten Post hier eingestellt habe. Und der Tüp ist Lehrer, Gymnasiallehrer, Oberstudienrat, wenn ich mich nicht irre.
M.a.W.: Der weiß einigermaßen was er sagt, wie das ordentlich formuliert werden muß u.s.w.

Ich zitiere mal zunächst den ganzen Post am Stück und zerlege es morgen nachträglich, um meine dusseligen zwei Groschen auch noch reinzuklemmen. Heute habe ich keine Lust mehr, der Tag war stressig. Hatte einen effektiven Downstream von rund 700b/s bis etwa 7-8 Kb/s, bei einem Trägersignal von ca. 24 -80 Kb/s. W.h.: das Öffnen eines durchschnittlichen Blogs dauerte mehrere Minuten und Hochladen o. Speichern geschriebener Inhalte brauchte mehrere Versuche ( zwischendurch konnte ich locker Kaffee kochen ). Nu geht alles wieder hübsch blitzartig, indes: der Tag ist quasi rum und geschafft habe ich in etwa das, was man sonst in max. 2 Stunden so raushauen kann.

Egal, den vollständigen Text vom Schoppe klatsche ich eben noch hier rein, bevor ich mich mit einem netten Filmchen und einem Gläschen feinen Port zum Chillen zurückziehe:


Alle reden von Hate Speech – wer aber weiß schon, dass es ganz verschiedene Typen davon gibt? Hier werden sie aufgelistet.
Was würden wir wohl von einem Arzt halten, der all seinen Patienten immer nur eine einzige Diagnose stellte: „krank“? Wir würden vermutlich auch an der von ihm verordneten Therapie Zweifel haben und uns eine etwas spezifischere Grundlage wünschen. Vor allem dann, wenn er bei jeder Diagnose rituell mit ernstem Blick den Kopf schütteln und sagen würde: „Dagegen muss etwas getan werden, egal was!“
Geht es aber um Hate Speech, dann haben wir solche Zweifel plötzlich nicht mehr. Zwar weiß niemand so genau, was denn nun Hate Speech eigentlich ist und wodurch sie sich von klassischen Vergehen wie etwa der Beleidigung, der Bedrohung oder der Volksverhetzung unterscheidet. Aber dass dagegen etwas getan werden muss, egal was, ist irgendwie allen klar – nun ja, fast allen. Dabei fehlt es bislang selbst noch an den einfachsten Klassifikationen der Hate Speech.
Da man tau ja auch, und vor allem, ein Serviceblog für die Zivilkultur ist, soll dieses erstaunliche Versäumnis hier aufgearbeitet werden. Wir werden sehen: Es gibt ganz unterschiedliche Hater, mit denen wir vernünftigerweise auch unterschiedlich umgehen sollten.

Der Psycho

psycho
In Alfred Hitchcocks berühmten Film „Psycho“ leitet der pathologische Mörder Norman Bates ein Hotel, in dem er ein Zimmer so eingerichtet hast, dass er seinen weiblichen Gast – sein späteres Opfer, gespielt von Janet Leigh – dort ungesehen beobachten kann. Wenn er sie schließlich tatsächlich attackiert, dann ist er dabei in seiner Phantasie nicht er selbst, sondern nimmt die Rolle seiner Mutter sein.
Auch im Netz lebt der Psycho davon, dass er von seinen Opfern nicht gesehen werden kann – er bleibt oft anonym, wenn er Bedrohungen, harte Beleidigungen, Vergewaltigungswünsche und ähnliches formuliert. Er nutzt das Netz also, um Mitmenschen Dinge mitzuteilen, bei denen er außerhalb des Netzes damit rechnen müsste, dass ihm mit ein paar gezielten Faustschlägen und ohne nennenswerte örtliche Betäubung einige Zähne entfernt würden.
Da er sich für seine Attacken nie mit seiner normalen bürgerlichen Identität rechtfertigen muss, gerät er im Allgemeinen auch nicht in die Situation, selbst Verantwortung für sie übernehmen zu müssen – wenn er attackiert, ist er gleichsam immer ein Anderer als der, der er sonst ist.
Eine beliebte Variante sind beiläufige Andeutungen, das Opfer sehr gut zu kennen, zum Beispiel über die Adresse oder die Anzahl der Kinder informiert zu sein. Die Asymmetrie zwischen Anonymität auf der einen und Schutzlosigkeit auf der anderen Seite macht die Attacken besonders wirkungsvoll.
Jede hinreichend große politische Bewegung wird sich früher oder später auch Psychos einfangen, die im Namen der Bewegung gegen deren Gegner agitieren und die das als ernsthafte politische Arbeit verstehen. Vor allem eine politische Bewegung jedoch, die noch nicht gut etabliert ist, muss sich unbedingt von ihnen distanzieren. Schließlich wird jede noch so angemessene Formulierung berechtigter politischer Positionen unweigerlich unglaubwürdig, wenn jemand ständig Sätze dazwischen brüllt wie „Genau das. Und wenn ihr das nicht glaubt, dann knall ich euch alle ab!“
Irritierenderweise dulden jedoch etablierte politische Bewegungen Psychos manchmal ganz gern in ihren Reihen.

Der Netzdepp

netzdepp
Der Psycho unterscheidet sich schon dadurch vom Netzdeppen, dass er die Möglichkeiten des Internets reflektiert und nutzt, während der Netzdepp sich hoffnungslos in ihnen verheddert. Sein größter Fehler: Er versteht nicht, dass er sich mit dem, was er zu Hause an seinem Wohnzimmertisch oder in seinem Schlafzimmer in den Laptop haut, zugleich beständig in der Öffentlichkeit bewegt.
Er versteht auch nicht, dass es einen prinzipiellen Unterscheid gibt zwischen mündlichen Äußerungen in einem winzigen, vertrauten und begrenzten Kontext – und schriftlichen Äußerungen, die beliebig vervielfältigt in immer neue Kontexte eingeführt werden können. Wer zum Beispiel über „linksversiffte Schwerverbecher“ lamentiert und damit eine CDU-geführte Bundesregierung meint, steht damit eben nur in wenigen kleinen Kontexten als Produzent von Klartext und in den meisten großen Kontexten als durchgeknallter Schwadroneur da.
Dabei ist ausgerechnet Wut eine Emotion, die den Transport ins Netz ganz besonders schlecht übersteht. Wut mag im persönlichen Kontakt sehr eindrucksvoll und einschüchternd sein – im Netz sieht sie aber in der Regel einfach ausgesprochen dämlich aus. Der beliebte Spott „Einself11“ bezieht sich auf den Netzdeppen – nämlich auf einen Menschen, der seine Äußerung erregt mit einer ganzen Reihe von Ausrufezeichen noch eindrucksvoller machen möchte, der in der ganzen  Aufregung aber unglücklicherweise nicht merkt, dass er ohne Feststelltaste arbeitet und daher lauter Einsen „11111“ produziert.
Der Netzdepp ist nicht harmlos, sondern trägt erheblich zur Vergiftung der Atmosphäre im Netz bei. Im Umgang mit ihm ist gleichwohl eine alte weise Maxime hilfreich: Erkläre nicht mit Hass, was Du auch mit ganz normaler Blödheit erklären kannst.

Der empörte Empörer

unschuld
Im Unterscheid zum Netzdeppen weiß der empörte Empörer sehr gut, was er tut – er stellt sich aber als Netzdepp bin, sobald er sich dafür verantworten soll. Ein berühmtes Beispiel lieferte Beatrix von Storch: Erst forderte sie, dass Grenzen mit Schusswaffen selbst gegen Flüchtlingskinder verteidigt werden müssten, und dann berief sie sich darauf, dabei lediglich mit der Computermaus „ausgerutscht“ zu sein.
Der empörte Empörer formuliert also öffentlich Positionen, die in den Augen vieler Mitmenschen erhebliche Grenzverletzungen sind – aber anstatt dazu zu stehen, empört er sich darüber, wissentlich missverstanden zu werden. Ob ein AfD-Funktionsträger die Politik der Nazis lobt, die Partei in sozialen Medien den Sozialdemokraten Martin Schulz auf Bildern verfremdet und dabei womöglich gar auf antisemitische Klischees zurückgreift, oder ob ein Redner die Erinnerung an den Holocaust als Instrument zur Knechtung des deutschen Volkes hinstellt: In jedem Fall ist die Grenzverletzung offensichtlich kalkuliert und hat das Ziel, eben diese Grenzen zu verschieben.
Nun ja, das L. Schoppe hier die AfD als Beispiel anführt, ist wohl verständlich, da sie DAS Pauschalbeispiel nicht nur liefert, sondern auch bereits mehr o. weniger unkontrolliert zugeschoben bekommt. Inhaltlich, sowie zur Vereinfachung des Artikels ist das natürlich gut nachvollziehbar.
Grundsätzlich bin ich da aber sehr kritisch, da es m.E. "bessere" Beispiele gibt.
V.dh. wäre es mir eigentlich lieber gewesen, wenn Schoppe hier ein paar andere gewählt hätte. Die AfD ist eine Randerscheinung ( im weitesten Sinne ), die wenig Einfluss auf die aktuelle Tagespolitik hat ( außer eben als beliebtes Negativbeispiel ).
Besser wäre es m.E. gewesen an der Stelle Leute vom VAM(v), dem djb, oder die semiprofessionellen "Berufsempörer" der "Netzfeministen" zu wählen.
Dummerweise wären das zumindest vordergründig aber "Einzelfälle" gewesen, oder man hätte sie umfassend beleuchten müssen, was dem Fluss des Artikels abträglich gewesen wäre. Aber Schoppe sagt ja selbst:

Das betrifft keineswegs nur die AfD. Wir haben uns zum Beispiel, ohne es recht zu merken, daran gewöhnt, dass Mohammed-Karikaturen nicht veröffentlicht werden können, ohne dass militante Muslime deswegen ernstzunehmende Morddrohungen formulieren – eigentlich ein massives Tabu in einem Gemeinwesen, dem an Meinungsfreiheit gelegen ist. Statt aber, auch im Sinne der friedlichen Muslime, klar gegen diese Angriffe auf die Meinungsfreiheit vorzugehen, werden einfach keine Mohammed-Karikaturen mehr veröffentlicht.
Die gezielte Grenzverletzung ist nicht zufällig das Mittel der Wahl von Gruppen, die – auch wenn sie miteinander gar nicht viel zu tun haben oder einander sogar feindlich sind – nicht zur etablierten Mehrheitsgesellschaft gehören. Es geht ihnen ja eben darum, deren Grenzen so zu verändern, dass die eigenen Positionen Platz darin finden.
Dass sie sich empört als missverstanden hinstellen, wird wiederum dadurch nötig, dass die Grenzen noch nicht in ihrem Sinne verändert sind.

Der Höfling

Das genaue Gegenstück zum empörten Empörer ist der Höfling. Er zeigt, dass er dazugehört – er setzt das auch ein – und er braucht das.
Eine Spiegel-Journalistin veröffentlicht spöttisch auf Twitter eine agressive Mail, die ein Leser an sie gerichtet hat – und vergisst, selbstverständlich ganz aus Versehen, seinen Klarnamen in der Veröffentlichung zu schwärzen.
Eine Stern-Kolumnistin versucht, mit einem gezielt aus dem Kontext gerissenen Zitat einen ihr unbekannten Blogger öffentlich eine primitive sexuelle Belästigung unterzuschieben.
Ein Kabarettist bezeichnet, im seltsamen Doppelpass mit empörten Empörern bei der AfD, deren Spitzenkandidation in der NDR-Sendung „extra 3“ als „Nazi-Schlampe“.
Ein Account der SPD stellt bei Twitter einen Kommentator, der Sigmar Gabriels Israel-Desaster scharf kritisiert, ohne weiteren Anlass als psychisch krank hin.


  spd psychisch
Schmankerl am Rande: Für meinen eigenen freundlichen Hinweis dazu („Pathologisierungen sind eben nur dann Hate Speech, wenn sie die Falschen treffen“) wurde ich von dem Account mit dem ironischen Titel „Deine SPD“ sofort blockiert.
In jedem Fall spielt hier jemand, der zu etablierten Institutionen irgendwie dazugehört, seine Position gegen Menschen aus, die nicht dazu gehören – wenn auch der Fall der Stern-Kolumnistin zeigt, was geschieht, wenn sich der Höfling in dieser Einschätzung täuscht.
In jedem Fall hat die Kommunikation zudem eine Meta-Botschaft: Auch wenn ich Dich roh beschimpfe – Ich darf etwas, was Du nicht darfst.
Die klassischen Höflinge hatten übrigens gerade dann eine besonders große Motivation, sich vom Pöbel abzugrenzen, wenn ihre eigene Position am Hof prekär war. Das ist beim metaphorischen Höfling des Netzes nicht anders.
So sehr sich der Höfling aber auch zivil gibt, da doch schließlich der Begriff „Höflichkeit“ unmittelbar auf höfisches Benehmen zurückgeht: Die Spaltung in Menschen, die dazugehören, und die, die nicht dazugehören, ist in einer demokratischen Gesellschaft erheblich de-zivilisierend.
Was L. Schoppe da als "Höfling" beschreibt, ist - auf gut Umgangsdeutsch gesagt - der klassische Blockwart, also das, was man in den "Bildungsfernen Schichten" ( also eher meinem Umfeld ) als "den größten Lump im ganzen Land" bezeichnet.

Der Schwarm

Die Attacken des Höflings sind nur dann effektiv, wenn dem Opfer tatsächlich deutlich gemacht wird, dass es nicht dazugehört. Daher sind dessen öffentliche Bloßstellungen auch darauf angelegt, Gleichgesinnte anzuziehen, die sich genüsslich an ihnen beteiligen und die sich dabei gegenseitig die Rechtschaffenheit ihrer Gesinnung attestieren.
Der Schwarm hat eine Eigendynamik: Je mehr das Opfer schon verletzt ist, und je mehr Menschen sich – gern mit aufrechtem moralisierendem Gestus – an weiteren Attacken beteiligen, desto leichter und lohnender wird es für andere, ebenfalls mitzumachen.
Natürlich sind es nicht nur Höflinge, die eine solche Dynamik auslösen, aber sie sind dafür in einer besonders günstigen Position. Die Expansions-Tendenz des Schwarms macht ihn allerdings auch unkontrollierbar und ermöglicht sogar ungewollt-kontraproduktive Effekte.
Als beispielsweise eine feministische Netz-Aktivistin eine Linksammlung ins Netz stellte, um die Bloggerin Erzählmirnix als Antifeministin hinzustellen und einen Shitstorm gegen sie zu initiieren, da stiegen tatsächlich viele auf das Angebot ein. Allerdings geriet so auch der außergewöhnlich einflussreiche Blogger Fefe an diese Liste, empfahl Erzählmirnix weiter und verschaffte ihr damit einen großen Erfolg.
The Birds
Aus der Perspektive des Opfers sieht vermutlich jeder Schwarm gesteuert aus. Das ist verständlich, aber falsch. Manchmal sind es tatsächlich viele Einzelne, die sich in gleicher Weise empören – und die sich schlicht selbst Luft machen, ohne dabei auf andere zu achten. Was gesteuert aussieht, ist dann einfach nur Ergebnis der Tatsache, dass sich viele der Beteiligten eine einfache Frage nicht stellen: Wenn jetzt schon zehn Leute auf jemanden losgegangen sind – muss ich dann tatsächlich auch noch unbedingt dabei sein?
Irgendwo habe ich vor gar nicht langer Zeit gelesen, daß es nicht nur so etwas wie "Schwarmintelligenz" gibt, sondern auch eine durchaus häufig anzutreffende "Schwarmblödheit" und zwar nicht nur auf Hysterien bezogen, sondern "ganz normale" gesellschaftliche, resp. gruppenspezifische Ansichten und Vorgehensweisen. Und, da ich mich u.a. auch auf der "sozialen Plattform" Diaspora herumtreibe, kann ich das aus reichlich alltäglicher Erfahrung nur bestätigen. Da kommt es sehr oft vor, daß Kritikern ( von was auch immer ), ohne auch nur ansatzweises Eingehen auf Inhalte, pauschal und in kaskadierender Aufschaukelung vorgeworfen wird "zu dumm zum Diskutieren" zu sein, oder eben irgendwie "rechts", "Nazi", Frauenhasser" etc. ( eigentlich immer alles auf einmal ) sein zu müssen. Was dann dazu führt, daß beim nächsten mal eine noch größere Versammlung mit eben diesen Zuweisungen argumentfrei herumbasht.
Durchaus erwünschter "Neben"-Effekt:
Eine Diskussion findet nicht statt man bestätigt sich im Kreis, was nie in Frage gestellt wird.

Der halluzinierte Hater

Auf einer Fehleinschätzung in der Wahrnehmung beruht auch das Phänomen des halluzinierten Haters – in diesem Fall aber auf einer absichtlichen Fehleinschätzung. Da sehr viele Menschen eine Vorliebe für Frieden, Freiheit und Liebe haben, sich aber eigentlich niemand offen für Krieg, Hass und Unfreiheit ausspricht, kann es eine wirkungsvolle politische Waffe sein, Menschen mit anderer Meinung „Hass“ zu unterstellen.
Da der Begriff der Hate Speech zwar notorisch unbestimmt bleibt, aber mittlerweile weithin etabliert ist und sogar von Regierungsstellen in aller Ernsthaftigkeit verwendet wird, geht das zudem überraschend leicht.
asshass




















Die Seite No Hate Speech, die aus Mitteln des Bundesfamilienministeriums finanziert wird, listet überraschende Beispiele für „Hassrede“ auf. Von Hass seien beispielsweise Feminstinnen motiviert, wenn sie das muslimische Kopftuch als Zeichen der Unterdrückung von Frauen ansehen. Von Hass seien Männer motiviert, die auf spezifische Problemlagen von Männern und Jungen hinweisen. Von Hass seien Menschen motiviert, die behaupten, es gäbe Rassismus auch gegen Weiße.
Auch wer all diese Positionen ablehnt oder sie gar albern findet, wird in ihnen wohl eher eine abweichende Meinung, aber keinen Hass entdecken. „Zwei plus zwei ist drei.“ – „Nein, vier.“ – „Das sagst du nur, weil du die Drei hasst!“
Tatsächlich sind hier erhebliche Aggressionen im Spiel, aber sie sind projektiv: Wer sich selbst als Vertreter der Liebe hinstellt und seine Gegner als die des Hasses, der beteiligt sich eben an den de-zivilisierenden Spaltungen der Diskurse, die sture Freund-Feind-Muster und eine Kultur der Aggression nachhaltig fördern.

Der Exekutor des Guten

Eben das tut auch der Exekutor des Guten, der sich selbst als Kämpfer gegen Hass und Menschenfeindschaft empfindet, aber unglücklicherweise vieles tut, um Hass und Menschenfeindschaft zu verbreiten.
In ihrer Ratgeberkolumne äußert sich eine Frau in ihrer Antwort auf eine entsprechende Leserfrage skeptisch darüber, dass Kinder bei einer Homosexuellen-Hochzeit dabei sein sollten – und verliert ihren Job, nachdem die Mitarbeiterin eines bekannten grünen Bundestagsabgeordneten öffentliche Empörung dagegen mobilisiert hat. Der Abgeordnete nimmt die Nachricht über den Arbeitsplatzverlust befriedigt als Erfolgsmeldung auf.
Gleich zwei Mal habe ich schon erlebt, wie sozialdemokratische Politiker andere Menschen, die ihnen ansonsten unbekannt waren, öffentlich bei ihren Arbeitgebern anschwärzten, weil sie sich für die AfD ausgesprochen hatten.
Einer  dieser Exekutoren des Guten schrieb öffentlich den Arbeitgeber an und verlangte eine Klarstellung, weil der Arbeitnehmer bei Facebook „Hetze über Flüchtlinge“ verteidigt habe.  Als der Arbeitgeber nicht wie gewünscht reagierte, versuchte der Sozialdemokrat, auch ihn öffentlich bloßzustellen.
Der Verwalter des Hasses stellt für gewöhnlich nicht selbst Vergewaltigungsdrohungen ins Netz, er erniedrigt keine konkreten Personen, er organisiert auch für keinen Shitstorm. Er trennt lediglich ruhig und gemessen Menschen in unterschiedliche Gruppen, in denen dann die einen jeweils Empathie und Unterstützung verdient hätten, die anderen nicht. akten
Übrigens hatte der AfD-Mann, zumindest in den genannten Facebook-Einträgen, gar nicht gegen Flüchtlinge gehetzt. Er hatte sich beim Sozialdemokraten beschwert, der Druck gegen die AfD sei so groß, dass viele Menschen sich gar nicht trauen würden, sich offen für ihre Positionen auszusprechen.
Nun hat der Exekutor des Guten sich in dieser Situation vermutlich nicht so verhalten, dass dem AfD-Mann die Falschheit seiner Einschätzung deutlich werden musste. Die feste Überzeugung, auf der Seite der Rechtschaffenheit zu stehen, enthemmt ihn zugleich in der Wahl der Mittel. So fehlt ihm ganz der Sinn dafür, wie sein Verhalten bei seinen Gegnern ankommen muss – wer anderen rundweg „Hass“ unterstellt, der hat eben kein Interesse an der Frage, wie eine Situation aus ihrer Perspektive aussieht. Die Wut, die er dabei selbst auslöst und auf sich zieht, kann er dann jeweils als Bestätigung seiner Einschätzungen werten.
Natürlich ist es manchmal gut und richtig, gegen bestimmte Positionen Widerstand zu organisieren. Der Exekutor des Guten aber wird zum Aggressor im Netz, weil er eine einfache und naheliegende Frage sorgfältig vermeidet: Wie fänd ich es, wenn die anderen sich auch so verhalten würden wie ich?
Es wäre übrigens ganz naiv zu glauben, dieser Typus fände sich nur im rotgrünen Spektrum. Schon heute deuten Kommentatoren von Rechtsaußen gern an, dass sie sich für den Fall der gewiss zu erwartenden Machtergreifung schon mit Listen unliebsamer Personen eingedeckt haben. Sie warten also jetzt schon darauf, sich ihrerseits als Exekutoren des Guten betätigen zu können.
Man könnte sagen: ist der Höfling ( s.o. ) noch Möchtegern-Blockwart, so ist der Exekutor schon eine Stufe weiter auf der "Karriereleiter" zum Gauleiter. Er meint eine Art "Bestimmungs- u. Definitionsrecht" zu haben, wer als Mensch und wer als Untermensch klassifiziert und behandelt werden muß.

Der  Verwalter des Hasses

Der Verwalter des Hasses wäre in Prä-Internet-Zeiten einfach als „Schreibtischtäter“ bezeichnet worden – was heute witzlos ist, weil eigentlich alle Taten im Netz von Schreibtischen aus begangen werden.
Ob der Verwalter des Hasses nun von links oder von rechts aus tätig ist, sein Instrument zur Aufteilung ist jeweils dasselbe: Er teilt die Menschen in Opfer und Täter und macht damit klar, warum die einen unterstützt werden müssen und die anderen ganz bestimmt nicht unterstützt werden dürfen.
Er stellt dann zum Beispiel Globalisierungsgewinner und ihre Handlanger gegen die absterbenden Nationen und ihre Bürger auf – oder aggressiv-gewissenlose Migranten gegen die unschuldig-naiven Europäer – oder umgekehrt rundweg machtgierige Weiße gegen die grundsätzlich friedlichen People of Color – oder hegemoniale Männer gegen die humaneren, aber unterdrückten Frauen.
Diese Aufspaltung der Menschlichkeit spiegelt sich unglücklicherweise in den Netz-Debatten, in den Filterblasen, in denen Gleichgesinnte unter sich bleiben und Menschen anderer Meinung widerspruchslos diskreditieren. Die Unterstellung des Hasses wird selbst zum Instrument der Aggression.
Der Verwalter des Hasses hat immerhin das Verdienst, einen wichtigen Punkt ganz aus Versehen und gegen seinen Willen deutlich zu machen: Es hat keinen Sinn, Debatten im Netz ausgerechnet dadurch zivilisieren zu wollen, dass Menschen in unterschiedliche Gruppen selektiert werden – als ob nur identifiziert werde müsste, wer denn nun die Guten sind, um das Gute zum endgültigen Sieg zu führen.
Genau darum geht es diesen "Verwaltern" aber, die Debatte zu de-zivilisieren. Nicht zuletzt um sich selbst als eine Art von "Zivilisatoren" zu verkaufen, die der armen, durch die Gegner gebeutelten "Zivilisation" wieder zu neuem Glanz verhelfen, wenn die bösen Feinde erstmal ausgegrenzt, oder - noch besser - ganz als solche vernichtet sind.

So! Meine zwanzig Pfennich dazu könnt Ihr morgen bewundern, bis gleich ...

Update: Tja, gab fast gar nichts herumzukritteln an dem Post. Ich hätte höchstens noch ellenlange Serien von Beispielen anfügen können, aber ich denke, eine wesentliche Verbesserung wäre das in dem Fall nicht gewesen, da es ja um das Aufzeigen der Prinzipien als solche ging und nicht um eine strikte Einsortierung sämtlicher möglicher Vorfälle. Zumal es dazwischen ja auch einige Schnittmengen gibt, was dann zu möglichen Unterschieden in der Interpretation aus verschiedenen Sichtweisen heraus hätte führen können, also im Endeffekt zu mehr Unklarheit. Belassen wir es also dabei, die groben Muster als ebenso grobe Sortierungshilfe zu sehen, andere Kategorisierungen für ( bei Bedarf ) möglich zu halten.

Prima, das verschafft mir ein wenig Luft.

Haaalt! Ein in mehrfacher Hinsicht typisches Beispiel hat Fefe gerade veröffentlicht.
Vordergründig geht es scheinbar um Fakenews, allerdings nur als sehr weit an den Haaren herbeigezerrter Pseudogrinterhund. Tatsächlich handelt es sich um klassisches Hatespeech.
Die Einsortierung ist nicht ganz einfach, da es sich über mehrere Schnittmengen erstreckt. Ich überlasse es Euch, zu entscheiden, welcher/welchen Hatergruppe(n) die Autoren dieser reichlich primitiven Verunglimpfung angehören.
Der Gag daran ist einfach, daß sie - correctiv.org -  sich als offizielle oberste Moralapostel verstehen und an diesem Beispiel unzweifelhaft klarstellen, daß sie nix als Gruppenhass im Kopf haben, moralisch also naheliegenderweise als eher dissoziale Pöbelanten einsortiert werden können. Ein klassisches Argumentum ad hominem.
Das nun ausführlich zu erklären, halte ich in diesem Fall für nicht notwendig, da netterweise schon von anderen erledigt und das praktischerweise auf der Webseite von correktiv.org selbst, in der Kommentarfunktion. Man muß diesen Leuten also, bei aller Schäbigkeit ihrer Hasspropaganda, zugute halten, daß sie immerhin Meinungsäußerungen dazu zulassen. Sie hätten genau so reagieren können, wie z.B. die Tagesschau, die Süddeutsche Zeitung, die Gunda-Werner-Stiftung, oder die grünbraune Partei, welche in solchen Fällen gewohnheitsmäßig die Kommentarfunktion schließen, z.T. sogar bereits erfolgte Rückmeldungen löschen.



CU

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